Frühjahrsprogramm von Konstanz University Press erschienen
18. Dezember 2012
Editorial
Von der aktuellen Finanz-, Wirtschafts- und Eurokrise, liebe Leserin und lieber Leser, ist so viel die Rede, dass man leicht den Überblick verliert und nach verlässlichen Orientierungen sucht. Jürgen Links Studie zur Zukunft der Normalität bietet nun eine ebenso erhellende wie originelle Analyse des aktuellen Geschehens. Er deutet die Krise der Gegenwart als drohenden Verlust von Normalität und so als eine Krise unseres Lebens schlechthin mitsamt seinen vermeintlich fest etablierten Formen.
Knapp eineinhalb Jahrhunderte früher schien die Welt noch stabil: Phileas Fogg umrundet in Jules Vernes In 80 Tagen um die Welt die Oberfläche des Planeten auf scheinbar fest gebahnten und kalkulierbaren Wegen. Den Roman als Kompendium des reichen Weltwissens des 19. Jahrhunderts mit all seinen signifikanten Lücken und Auslassungen zu erschließen – das ist die besondere Leistung des Herausgeberkollektivs „Passepartout“. Zugleich bietet diese Edition eine gänzlich ungewöhnliche wie innovative Möglichkeit, die Reise zu erfahren: Man kann sie regelrecht erspielen dank eines Brettspiels, das Steffen Bogen entwickelt hat. Der Autor des Kinderspiels des Jahres 2012 Schnappt Hubi! ist unser Cicerone, um die Welt zu Zeiten von Phileas Fogg spielend zu erkunden. Sichern Sie sich eines der Exemplare dieser außergewöhnlichen Edition!
Zwei weitere Bücher erkunden in anderer Weise den Raum der Geschichte, indem sie einen der herausragenden Theoretiker des 20. Jahrhunderts in den Mittelpunkt stellen: Siegfried Kracauer. Stephanie Baumanns großangelegte Studie stellt die erste umfassende Monographie zu Kracauers letztem, Fragment gebliebenen Buch History – The Last Things before the Last dar und entschlüsselt dieses auch als weitreichende Reflexion über die Erfahrung des Exils, der Shoah und ihrer Folgen für eine Theorie der Geschichte. Dagegen stellt Tat ohne Täter Kracauer als sensiblen und scharfsinnigen Chronisten der Weimarer Republik in den Mittelpunkt. Der scheinbar motivlose Massenmord Fritz Angersteins im Jahre 1924 zeichnet, wenn man ihn mit Kracauer deutet, wie ein Seismograph die Fieberkurven der Zeit auf.
Ulrike Sprenger wiederum zeigt in ihrem Buch anhand der Karprozessionen der Gegenreformation – scheinbar Relikte einer inquisitorischen Vergangenheit – wie die städtische Bevölkerung Sevillas sich durch diese Prozessionen den öffentlichen Raum neu erschließt und sich der Kontrolle der Autoritäten entzieht. Ein wichtiger Schritt in die Neuzeit, der zumeist unterschätzt wird.
Und last but not least hält unser aktuelles Programm eine weitere Überraschung bereit: Erstmals erscheint in deutscher Sprache ein Band, der das ebenso scharfsinnige wie originelle kulturanthropologische Denken des amerikanischen Ethnologen Michael Taussig in all seinen Facetten vorstellt. Lassen Sie sich beim Lesen und Spielen verzaubern!
Sehr herzlich,
Ihre
Alexander Schmitz und Bernd Stiegler
- Dateien:
kup_prg_fruehjahr2013_web.pdf2,30 Mi